Postcard from Dreamland

Manchmal mehr Emotion, manchmal mehr Geschichte

 

Elin Aakrann im Gespräch mit Eva Paulin

Montréal, Mai 2019

 

 

Warum sind einige Bilder größer als die andern?

Das hat praktische Gründe: Ich arbeite mit den Mitteln, die mir im Moment zur Verfügung stehen, was eigentlich auch einem meiner Werte entspricht, die ich gerne an die nächste Generation weitergeben möchte. Ich hatte diese beiden Leinwände auf Keilrahmen im Ausverkauf vor meiner letzten Abreise gekauft und als ich wieder in meinem Atelier in Montréal ankam, sagte ich mir, die sollte ich jetzt verarbeiten. Ich hab dann mit dem Größeren angefangen (Postcard from Dreamland, Number 4, 2019, Acryl auf Leinwand, 92 x 92 cm), weil ich lieber auf großen Leinwänden arbeite. Als ich dann mit der Arbeit zufrieden war, sagte ich mir, jetzt mach ich das kleinere Format auch. (Postcard from Dreamland, Rudern, 2019, Acryl auf Leinwand, 77 x 77 cm) Das war dann aber schwieriger: Von groß auf klein ist immer schwer. Für das Dritte, habe ich mir dann ein Stück Leinwand von einer Rolle zurechtgeschnitten, wie ich das immer mache. Das war dann ein größeres Format als das erste Bild. Ich musste es dann aber abschneiden, weil es mir beim Malen viel zu „lang” erschien. Ich hatte mich ans quadratische Format von den zwei vorherigen Bildern gewöhnt. Ich habe dann trotzdem eine Seite 10 cm länger gelassen und damit kam ich gut klar. (Postcard from Dreamland, Number 6, 2019, Acryl auf Leinwand, 105 x 95 cm)

 

Und weshalb ist es für dich schwerer in einem kleinen Format zu arbeiten?

Ich finde das absolut schwierig. Schon von der Geste her ist eine große Fläche einfacher für mich. Ich mache Skizzen, probiere auch auf der Leinwand Sachen aus, die ich dann manchmal übermale, wenn sie nicht passen. Durch diesen Prozess entsteht mein Bild: Ich lasse Verschiedenes stehen, Anderes überdecke ich so dass man noch durchsieht, Anderes lasse ich ganz verschwinden. Während des Arbeitsprozesses ist das Betrachten ein wesentlicher Teil. Ich sehe Dinge im Bild die auf meine Vorstellung antworten oder sie erweitern.

 

Wie lange dauert es ungefähr, um ein Bild fertig zu malen?

Ich arbeite im Schnitt zwei Wochen an einem Bild. Manchmal arbeite ich gleichzeitig an mehreren Bildern, dann überlappen sich die Zeiten. Kleinere Formate gehen im Prinzip schneller. Hier habe ich mir zum Beispiel aus den Resten einer zugeschnittenen Leinwand zwei kleine quadratische Formate „gebastelt”. Ich kann die Leinwände ja immer schnell an einen Keilrahmen tackern und sie dann für den Transport im Flugzeug wieder herunter nehmen. (Postcard from Dreamland, swan lake 2, 2019, Acryl auf Leinwand, 40 x 40 cm). Mein Bilder-Sammelpunkt ist eigentlich in Luxemburg.

Dieses kleine Bild ist noch nicht fertig. Man kann hier noch ein bisschen besser die Etappen des Prozesses sehen. Ich habe es angefangen, aber dann sagte ich mir, da arbeite ich jetzt nicht gleich weiter, weil ich zu lange brauchen würde. Ich wollte lieber nur eines fertig machen. Der Prozess hat einen schrittweisen Ablauf und das Endergebnis ist nie so wie ich es mir am Anfang vorgestellt habe. Es ist gut sich selbst zu überraschen. Ich trage Farbe auf, die ich teilweise wieder wegnehme; ich färbe teile mit Lasur-Technik ein, um sie durchscheinen zu lassen. Manchmal arbeite ich ein Stück figurativ aus, dann bleibe ich wieder abstrakt. Es geht darum die „Postcard from Dreamland” zu materialisieren. Seit Januar dieses Jahres arbeite ich mit diesem Arbeitstitel und schreibe mir selbst Postkarten aus einem imaginären Land. Dieses Land ist meine Erinnerung. Es sind Geschichten und Gefühle aus der Vergangenheit oder der Gegenwart.

 

Also hinter jedem fertigen Bild ist so ein Prozess?

Ja, ich fange mit einer ganz konkreten Idee an, einer Richtung, wo ich meine, dass ich hin müsste, wo ich aber nie hinkomme (lacht). Das überrascht mich immer wieder selbst, dass alles ganz anders wird, als ich es am Anfang gedacht hatte, und wie beim Arbeiten immer neue Ideen und Gedanken zum Vorschein kommen. Der Prozess ist eigentlich ein Dialog zwischen dem Bild und mir. Das ist etwas sehr Intimes, würde ich sagen.

Ich „projiziere”: ich werfe meine Idee in die Zukunft und laufe ihr nach. Der Weg ist der Prozess. Das dauert eine bestimmte Zeit und man kann nicht schneller ankommen als die Idee selbst zu ihrer Reifung braucht. Würde ich gleich zum Ziel laufen, wäre es nicht dasselbe Ergebnis. Ich wäre viel zu schnell fertig und der Inhalt meiner Gedanken bliebe auf der Strecke. Ich nehme mir für jeden Schritt die Zeit zu sehen. Aus der Betrachtung entsteht der Dialog mit dem Bild. Manchmal fallen einem viele Ideen schnell zu wie bei diesem zweiten kleinen Bild. Es gefällt mir gut, weil es witzig geworden ist. Das erste ist schwieriger. Kommt aus einer anderen Empfindungs-Ecke. Bei dem zweiten (Postcard from Dreamland, swan lake 2), das sind wie zwei Schwäne und ich schaue von einer Brücke auf sie. Ich habe mich bei diesem Bild immer wieder zurückgeholt, um weniger zu machen, langsamer zu reagieren. Leere entstehen zu lassen – und Langsamkeit.

 

Hast du manchmal Phasen, wo du dir sagst, nein, so geht das nicht?

Ja, sicher. Dann muss ich sofort aufhören weiter zu arbeiten. Wie bei dem ersten kleinen Bild, wenn ich da weiter gemalt hätte, hätte ich es völlig zerstören können. Aber manchmal riskiere ich es … und zerstöre ein Bild … dann muss ich es eben übermalen.

 

Du bist also ein kleiner risk taker?

Ah ja, da steh ich dazu! Aber bei diesem Bild, sagte ich mir, nein, nein, da ist etwas, verschiedene Details, die mir gefallen und die ich gerne stehen lassen möchte. Aber im Moment sind zu viele Informationen auf kleinstem Raum. Das ist eben mein Problem mit den kleinen Leinwänden. Wenn das auf einer großen Fläche wäre, wäre das gar kein Problem. Da muss man dann Zeit vergehen lassen oder ein anderes Bild anfangen.

 

Aber woher kommt das, wieso fühlst du das so?

Das sind wahrscheinlich Beziehungen im Gehirn? Und das zweite Bild hatte diese gute Ausgangsposition mit dem Blick von der Brücke. Ich stehe oben und schaue nach unten und behalte die Übersicht. Bei dem ersten stecke ich mitten im Bild. Vielleicht ist es deswegen schwierig. Man muss ja immer wie bei einem Schachspiel den nächsten Schritt planen. Jede Entscheidung führt zu einem anderen Endergebnis … wie im Leben. Wenn man neue Elemente integrieren möchte, muss man sich manchmal von anderen trennen, sie opfern. Dadurch bringt man das Neue erst zur Geltung. Manchmal muss man auch etwas wirklich Gutes opfern, das aber zum falschen Zeitpunkt aufgetaucht ist. Zwischen diesen beiden kleinen Bildern habe ich noch ein großes angefangen, das ist auch noch nicht fertig. Das wurde mir auf einmal zu figurativ. Wirklich eine Postkarte. Mit einem Rahmen, es ist aber noch offen, um weiter zu arbeiten.

 

Fühlst du wenn ein Bild fertig ist?

Ja, ja, ja. Bei diesem Bild fühle ich eindeutig, dass es noch nicht fertig ist … und es ist auch noch nicht fertig. Manchmal kommt man aber bei einem Bild zu dem Punkt, dass nichts mehr geht, aber es ist noch nicht fertig. Dann kann man es nur übermalen und neu anfangen.

 

Teilst du deine Kunst mit anderen Menschen?

Ja, ich habe zum Beispiel ein Foto von dem großen Bild (Postcard from Dreamland, Number 4), an einen Freund in New York geschickt, Laurence Gelber, er ist Anwalt und ein Kunstliebhaber. Und das Feedback war unerwartet toll. Er hatte gerade in der Zeitung über eine Caravaggio Ausstellung gelesen und dort das Foto von The Entombment of Christ von Caravaggio gesehen. Er schrieb mir, dass mein Bild genau dieselben Kompositionslinien hätte. In diesem Fall also den Proportionen des goldenen Schnitts entsprechen würde. Obwohl mein Bild abstrakt ist und andere Farben hat, hätte es ihn sofort daran erinnert. Das war wirklich schön, dass er das gesagt hat. Das hat mich sehr gefreut. Er interessiert sich für meine Kunst, deswegen, hatte ich ihm das Foto geschickt. Ich hatte ihn über den Pianisten vom MOMA kennengelernt weil Laurence Gelber aus jedem Staat der Welt eine Person gesucht hat, die bei seiner Aktion I declare world peace mitmacht. Ein Video aufnimmt mit diesem Satz. Und Luxemburg war eines der Länder, die ihm noch fehlten. Ich repräsentiere Luxemburg und erkläre den Weltfrieden für dieses Projekt. Ich finde es ein schönes Projekt, das keinem weh tut und einen guten Denkanstoß in unserer Zeit gibt.

 

Für dich haben Werte eine große Bedeutung? Werte wie Frieden, Verbindung miteinander, Disziplin?

Ja, das ist wichtig für mich. Das will ich auch an die neuen Generationen weiter geben. Natürlich mache ich Kunst auch für mich, aber ich will Inhalte damit vermitteln. Ins Gespräch kommen. Wir leben in einer vom Konsum diktierten Zeit, zumindest in der westlichen Welt. Es geht mir nicht um Religion, aber um unsichtbare Werte. Wenn man Ideale hat, kann man besser aufeinander zugehen. Im Gegensatz zu diesem verschärften Kapitalismus wo es nur noch um Materie geht. Geld zu verdienen um noch mehr Materie anzusammeln und mit Statussymbolen Macht zu bekommen. Ich möchte mit meiner Kunst etwas Persönliches übermitteln und dazu gehören auch meine Werte.

 

Wo malst du deine Bilder?

Überall da, wo ich wohne … Luxemburg, Portugal und Montréal. Ich male meistens im Stehen an einer Wand. Diese Staffelei hatte ich hier schon länger stehen, aber kaum benützt. Ich bekam dann aber eine neue Holzverkleidung für meine Wand, weil sich die alte verzogen hatte. Die neue Wand fand ich so schön, obwohl ich sie ein bisschen benützt habe, dass ich auf einmal auf die Staffelei gewechselt habe. Ich male aber auch teilweise am Boden. Das ist einfacher, wenn man nicht will dass die Farbe verrinnt.

 

Wie malst du am Boden?

Ich stelle mich vor das Bild und stelle mir vor, wie der nächste Strich aussehen soll. Das kann lang dauern denn es muss gut überlegt sein. Wenn ich es dann weiß, fange ich an zu malen und mache auch oft dabei die Augen zu. Dadurch übertrage ich meine Gefühle mit der Geste, weil ich mich völlig darauf konzentriere und gleichzeitig locker lasse. Dieser Schritt ist sehr wichtig. Es ist nicht einfach einen Schritt zurück zu gehen, wenn man einmal im Mal-Fluss ist. Es ist gut möglich, dass etwas Unerwartetes entsteht und sich die Prioritäten in der Komposition verschieben. Auch die Farben wähle ich oft spontan, obwohl ich Phasen habe, in denen ich immer wieder auf dieselben Farben zurückkomme. Das muss mit meiner Umgebung zu tun haben.

 

Wo findest du deine Inspiration? Du machst gerne Fotos und hast viele Bilder von der Natur, Du hast mir gesagt, dass dich der Baum vor dem Atelier-Fenster inspiriert. Dein Umfeld ist also deine Inspiration?

Absolut. Die Natur, und alles was mich umgibt, ist wahnsinnig wichtig für mich. Ich habe letztens gelesen, dass man denkt, dass alle Pflanzen auf der Erde unterirdisch miteinander verbunden sind. Es fällt mir immer mehr auf, dass wir Menschen auch eine Erd-Spezies sind. So wie ein Hund zum Beispiel: Es gibt verschiedene Rassen, aber schlussendlich sind es alles Hunde und haben ein ähnliches Verhaltensmuster. Beim Menschen ist es dasselbe: Wir kommen aus den verschiedenen Teilen und Kulturen aber im Grunde sind wir identisch. Die ganze Welt ist miteinander verbunden. Wir sind eins. Das finde ich an der Natur so inspirierend. Oft mache ich Fotos aus meiner Umgebung und lasse Teile davon in meine Bilder einfließen. Es sind auch meist Fotos von Details, die mir ins Aug fallen. Das Bild mit den 2 Schwänen (Postcard from Dreamland, swan lake) ist durch ein Foto inspiriert. Dadurch habe ich auch die Dornen rundherum gemalt. Sie stehen auch in einem Kontrast zum weichen Teil des Bildes das eigentlich ruhig und gelassen ist, aber das Foto hat mich zu diesen Zacken inspiriert.

 

Wie fühlst du dich, wenn ein Bild von dir verkauft wird? Du sagtest mir, dass du nicht malst, nur um Bilder zu verkaufen, aber um Werte zu vermitteln. Deine Kunst spiegelt, aber einen ganz intimen Schaffensprozess wider. Tut dir das nicht weh, ein Bild an jemanden zu verkaufen, der das nicht versteht oder nachfühlen kann?

Nein absolut nicht. Wenn das Bild fertig ist, ist der Prozess abgeschlossen. Ich finde es schön wenn ich mit meinen Bildern andere Menschen berühre und sie sogar bereit sind mit meinem Bild zu leben. Das ist eine große Freude. Da teile ich meine Werte mit Jemandem. Der Arbeitsprozess ist dann nicht mehr mit diesem Bild für mich verbunden. Manchmal übermale ich auch alte Leinwände, die dann ein neues Leben bekommen. Das ist aber ganz normal, ich glaube das machen alle Maler.

 

 

 

Elin Aakrann is a graduate student in International Business Economics from the University of Maastricht in the Netherlands. Since August 2018, Elin is pursuing her Master’s degree in Corporate Social Responsibility at the Université du Québec à Montréal (ESG UQAM). Growing up in the multi-cultural country of Luxembourg and travelling to multiple countries, she has felt the importance of understanding individual’s as well as the planet’s values and principles. In her studies, Elin seeks to investigate the link between influential business entities and their impact on societies. Optimistic and visionary, she aims to contribute to the transition of multinational organizations to more sustainable and value-adding practices that are integrating environmental and social factors. She believes in pro-active, innovative and responsible projects to foster sustainability within communities and organizations and is motivated to evaluate how companies can contribute positively to their environment. She is inspired by creative minds, the values of individuals and wants to bring out the positive aspects of each of them.

Eva Paulin

1, Kiirfechstrooss

6834 Biwer

Luxemburg

 

 

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Montreal, Quebec, Canada

 

Telefon: 00 35 26 216 144 14

Web: www.evapaulin.com

 

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